Ausschuss 2: GLOBALE GESCHICHTE IN DER NATIONALEN UND REGIONALEN ERINNERUNG
1. Zentrale These
Um zu verstehen, welche global historischen Ereignisse im kollektiven Gedächtnis einer Nation verankert sind, muss der Schulunterricht und die öffentliche Debatte näher betrachtet werden.
Besonders die im Fach Geschichte unterrichteten Inhalte spiegeln die Erinnerungskultur der jeweiligen Gruppe wider.
2. Thesen zu Zeiträumen
1864: Während der Krieg von 1864 in Deutschland lediglich als Teil der deutschen Vereinigungskriege betrachtet wird, stellt er einen Ausgangspunkt für die Bildung der neuen dänischen nationalen Identität dar und ist emotional im kollektiven Gedächtnis verankert.
Kolonialismus: Deutschland und Dänemark betrachten Kolonialismus und ihre jeweiligen Kolonien mit Distanz. Die Debatte um den Umgang mit Kolonien wird heutzutage etwas offener geführt, vor allem von Dänemark, das von der Unabhängigkeitsdiskussion Grönlands beeinflusst wird.
Erster Weltkrieg und 1920: Anders, als in Deutschland nimmt der Erste Weltkrieg in der dänischen Geschichtserzählung eine weniger wichtige Rolle ein. Trotzdem ist der Erste Weltkrieg für die Region Schleswig durch das Aufkommen eines dänischen Selbstbewusstseins in der dänischsprachigen Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Dies wirkte sich auf den Ausgang der Grenzabstimmung von 1920 aus.
Zweiter Weltkrieg und Holocaust: Die Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieges und besonders dem Holocausts, nimmt in Deutschland (aufgrund der deutschen Täterrolle) viel Raum ein und beides wird kritisch reflektiert und verarbeitet, während in Dänemark, besonders ab den 1990er Jahren ein recht differenziertes Bild über Widerstand und Kollaboration entstand. Trotzdem wird besonders familiäre Geschichte, besonders in Deutschland kaum thematisiert.
Kalter Krieg: Der Kalte Krieg brachte Dänemark und Deutschland als Mitglieder der NATO einander näher. Dies war bedingt durch die in beiden Ländern aufkommende angloamerikanische Populärkultur und die strategische Partnerschaft, welche den Weg zu den Bonn-Kopenhagener Erklärungen ebnete. Beide Nationen halten die Erklärungen als wichtigen Schritt aufeinander zu in ihrer Erinnerung fest.
EU: Obwohl in der Gesellschaft Dänemarks EU-Skepsis weiterverbreitet, ist als in Deutschland, wird der Beitritt in die EU dennoch von beiden Nationen als positiv wahrgenommen, da er die bilaterale Verständigung auf politischer und kultureller Ebene stärkt. Die EU trägt zum Abbau von Feindbildern bei.
3. Schlussfolgerungen
- Die Erzählung historischer Ereignisse unterscheidet sich von Nation zu Nation. Grundsätzlich orientieren Geschichtserzählungen sich an den im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft gespeicherten Erinnerungen, welche globale, nationale und z.T. regionale Aspekte aufgreifen, wobei der Fokus der in der Schule unterrichteten Geschichte auf der Nationalgeschichte liegt.
- Dementsprechend finden sich in den Erinnerungskulturen Dänemarks und Deutschlands Überschneidungen in Form von globalen (WW2) bzw. für beide Länder wichtigen erlebten Ereignissen (NATO) oder in Folge von grenzüberschreitenden, zeitgeschichtlichen Debatten (Kolonialismus). Dennoch unterscheiden sich die Erzählungen erheblich in der Wahrnehmung von Teilaspekten der Ereignisse und ihrer Bedeutungszuschreibung (1920) sowie Begriffsbezeichnung.
- Die gemeinsam erlebte Geschichte ist Dänemark und Deutschland nicht gemein.
- Eine bedingt gemeinsame Erinnerungskultur gibt es lediglich sowohl in der Grenzregion, welche – trotz unterschiedlicher Narrative – durch das gemeinsame Erleben von Vergangenheit und vor allem Gegenwart geprägt wird, als auch in den Minderheiten Dänemarks und Deutschlands, weil jene ihre Identität aus beiden Nationen schöpfen und somit beide Geschichtserzählungen aufnehmen und verarbeiten.